Bewegung - Begegnung - Begleitung in der Natur

Artikel von Monika Gfeller in der Könizer Zeitung/Der Sensetaler vom Mai 2011, Seite 27

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Beweggründe

Göttliche Momente in der Natur

Artikel von Alfred Arm, erschienen in:
reformiert. Juli 2009, Seite 18
und
Könizer Zeitung, Juni 2009, Seite 106

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Reformiert.
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Göttliche Momente in der Natur

Bewegung - Begegnung - Begleitung in der Natur

Modetrend Pilgern?


 

Bewegung - Begegnung - Begleitung in der Natur

Ursina Rawyler-Barraud bietet Wandern im Gantrischgebiet und Pilgern im Freiburgerland an. Der Erfolg spricht für ihr Konzept.

Einen Regenbogen bewundern, dem morgendlichen Vogelgezwitscher lauschen, das Tosen eines Baches wahrnehmen, «klein werden» beim Anblick majestätischer Berge - für solche Momente lebt Ursina Rawyler. «Für mich bedeuten diese Erlebnisse ein Erden. Ich empfinde eine tiefe Dankbarkeit, dies spüren zu dürfen!» Jeder kann diese Erfahrungen machen, wenn er bereit ist, sich darauf einzulassen. Für den Ersten ist es ein Stück Weg gehen. Für den Zweiten ein Übergang, wie von einer Bachseite zur anderen, aber auch von einem Lebensabschnitt zum nächsten. «Ich persönlich empfinde das Überschreiten der Sprachgrenze immer wieder sehr bereichernd. Auch als Brücke zwischen den Kulturen», erklärt Ursina Rawyler.

Mit dieser breiten Perspektive vollzog Ursina Rawyler den Schritt vorn Wandern zum Pilgern. «Pilgern entspricht einem Urbedürfnis des Menschen nach Sinnsuche», ist sie überzeugt. Beim Wandern ist der Fokus auf die Landschaft, das gesellige Beisammensein und die sportliche Betätigung gerichtet. Beim Pilgern erlebt man wichtige Momente der Einsamkeit und Augenblicke der Stille. Pilgern kommt vom lateinischen «Peregrinus» und bedeutet «jenseits des Ackers, Fremder». «Sowohl das Wandern, wie das Pilgern, schenken uns wertvolle Erfahrungen», versichert Ursina Rawyler.

Ursina Rawyler (58) ist Mutter zweier erwachsener Töchter. Sie packt all ihre Projekte mit viel Elan, Optimismus und Lebensfreude an. Wer mit ihr unterwegs ist, spürt jedoch auch schnell ihre spirituelle Tiefe, Ruhe und Gelassenheit. Ursina Rawyler blickt auf interessante berufliche Stationen zurück: Buchhändlerin, Atemtherapeutin, Doula und Erwachsenenbildnerin. Zurzeit gibt sie jeweils im Herbst- und Winterquartal Atemgymnastik. Als ausgebildete Doula («Doula» ist griechisch und bedeutet «Dienerin der Frau») begleitet sie Schwangere vor, während und nach der Geburt. Nicht als Hebammenersatz, sondern zur persönlichen Unterstützung rund um die Uhr als Ansprechpartnerin.

Eine weitere Bestimmung hat Ursina Rawyler in den letzten Jahren gefunden: Als Berner Wanderleiterin und zertifizierte Pilgerwanderleiterin. Diese Tätigkeit kommt ihrem Naturell als Bewegungsmensch sehr entgegen. Schon als Kind liebte es Ursina Rawyler, in der freien Natur unterwegs zu sein. Inzwischen hat sich diese Liebe noch weiter vertieft. «Je älter ich werde, umso faszinierender finde ich die Natur, jedoch stimmen mich die Veränderungen in der Kulturlandschaft heute oft sehr nachdenklich», fügt sie hinzu. Beim Rekognoszieren ihrer Wanderungen geht Ursina Rawyler einen Weg immer mehrmals. «Jedes Mal entdecke ich etwas Neues», bemerkt sie begeistert. Auch die spontanen und interessanten Begegnungen mit Menschen bereichern Ursina Rawyler.

Wussten Sie, dass das wildromantische Gantrischgebiet zu den grössten Moorlandschaften der Schweiz gehört und eine riesige Vielfalt von Flora und Fauna aufweist? Ist Ihnen auch bekannt, dass der steinigste Weg der Weg zu sich selbst ist? Nein? Dann werden Sie bei einer (Pilger-) Wanderung mit Ursina Rawyler noch viel mehr - und vielleicht auch einiges über sich selbst erfahren.


Text: Monika Gfeller
 

Modetrend Pilgern?

Die Pilgerbegleiterin Ursina Rawyler hielt in Niederscherli einen Bildervortrag über modernes Pilgern. Reformiert. erzählte sie später von göttlichen Momenten in der Natur. Sie entdeckte «Orte, wo einfach alles stimmt».

«Göttliche Momente in der Natur: Erlebnisse dieser Art kenne ich gut. Oft zieht es mich intuitiv an einen bestimmten Ort; ich lasse mich etwa vom Lichteinfall leiten und laufe einfach drauflos. Dann entdecke ich Neues. Orte, wo einfach alles stimmt. Orte, die der Stimmung meiner Seele entsprechen.»

«Pilgern - mehr als ein Modetrend?» An dieses Thema wagte sich Ursina Rawyler am 11. Mai im Kirchgemeindehaus Niederscherli mit einem Bildervortrag heran. Das Publikum hielt sich, trotz Pilger-Boom, in Grenzen: Zehn Interessierte kamen. Anregend und bereichernd wurde der Abend trotzdem. Schon als Kind hatte Ursina Rawyler Freude am Laufen. Als 25jährige faszinierten sie historische Wege. Doch es blieb bei der Idee, diese auch zu begehen. «Jetzt, 30 Jahre später, ist es nun soweit: Ich absolvierte eine Ausbildung zur Pilgerbegleiterin und ich pilgere.» Auf ihre eigene Art allerdings: «Es muss nicht immer der berühmte Jakobsweg mit dem Ziel Santiago de Compostela sein.»

«Wenn ich morgens früh aufstehe, um den Sonnenaufgang zu erleben, den Mond im Westen sehe und dem Vogelgezwitscher lausche, dann weiss ich: Ich bin Teil eines grossen Ganzen.»

Ursina Rawyler zeigt Bilder von Mönchen auf einem Pilgerweg. Sie singen und schlagen sich in einem bestimmten Rhythmus Bretter an den Kopf. Das macht heute wohl niemand mehr. Ursina Rawyler geht es beim Pilgern darum, «ganz bewusst zu gehen, die Natur zu spüren und zu erkennen, was in mir passiert.» Sie erzählt die Geschichte von Jakobus, einer von 12 Aposteln von Jesus. Die Aufgabe von Jakobus war, die iberische Halbinsel zu christianisieren. Er ist, laut Legende, in Santiago de Compostela begraben, dem Endpunkt des Jakobswegs, dessen Anfänge bis nach Deutschland und noch weiter östlich reichen. Der Pilgerweg war jedoch auch Weg der Kreuzritter. Mehrmals versuchten Päpste und weltliche Herrscher im Namen der Kirche auch rein politische Machtansprüche durch zu setzen. Die andere, mehr individuelle Idee des Pilgerns war der «vollständige Ablass»: Sich auf den Weg nach Santiago von Schuld und Sünden befreien und so in den Himmel kommen.

«Es zieht mich oft an Orte, die ich nicht kenne. Zum Beispiel in ein verlorenes Tal, einem natürlichen Bachlauf entlang. Vor Jahren, ich kannte die Gegend 'änet' dem Sensegraben noch nicht gut, befand ich mich plötzlich im Birchholz und entdeckte die Lourdes-Grotte. Als ich weiter wanderte, stand ich auf einmal vor einer uralten Eibe. Das war wie ein Wunder.»

Pilgern ist ein Phänomen in vielen Religionen. Juden pilgern nach Jerusalem, Buddhisten zum Baum, wo Buddha seine Erleuchtung erlangte, Moslems fahren nach Mekka. Auch in der Bibel finden wir berühmte Pilger, etwa Abraham und Jesus. Pilgern kommt vom lateinischen «Peregrinus», was so viel wie «jenseits des Ackers, Fremder» bedeutet. «Später ging es um das Ideal der Heimatlosigkeit in der Nachfolge von Jesus», führt Ursina Rawyler aus. «Menschen begeben sich heute mit der Sehnsucht nach dem Unendlichen auf den Weg, sie suchen Frieden, magische Erlebnisse und viel anderes.» Die Motive sind verschieden wie die Menschen selbst: Abschied nehmen, Körpererfahrung, Selbstfindung... Es geht auch um eine neue Erfahrung der Zeit, um «Entschleunigung», oder um Kunst und Kultur. Viele Kirchen und Kapellen säumen den Jakobsweg. «Aber der steinigste Weg ist der Weg zu sich selbst», betont die Referentin. Deshalb könne zuweilen eine Begleitung auf dem Weg durch Freunde oder eine Pilgerbegleiterin sinnvoll sein.

«Natur hat eine unglaubliche Bedeutung für mich. Die Natur trägt Leben in sich, nicht nur das uns bekannte biologische. Ich rede mit Pflanzen, ab und zu auch mit Steinen. In der Natur fühle ich mich wohl, in ihr habe keine Angst, auch wenn ich allein bin.»

Im 13. - 15. Jahrhundert erlebte das Pilgern seinen Höhepunkt. Nach der Reformation geriet es in Vergessenheit. Doch seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts kommt Pilgern wieder in Mode: 1970 wurden karge 68 Pilger auf dem Jakobsweg gezählt, 1987 waren es bereits 3000 Menschen und 2007 waren es sage und schreibe 12500 Pilger. Es gibt nicht einen einzigen Jakobsweg, wie oft gemeint, sondern Kulturwege, auf denen auch Güter transportiert wurden. 1987 ernannte der Europarat Jakobswege zum «europäischen Kulturweg».

Ist Pilgern mehr als ein Modetrend? «Ja, Pilgern geht auf das Urbedürfnis des Menschen zurück, auf Sinnsuche zu gehen. Begünstigt wird dies jedoch heutzutage durch unsere nüchterne, hochtechnisierte Lebensart. Der Mensch bleibt ein ‘homo viator’, ein Mensch auf dem Weg.»


Text: Alfred Arm
Zitate: Ursina Rawyler-Barraud

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03.06.2011

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